MZ-Artikel 18.02.2004

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Das Schicksal der ehemaligen Landesschule "Zur Pforte" ist immer noch in der Schwebe. Meinerzhagens Bürgermeister Erhard Pierlings verhandelt auf höchster Ebene mit der Landesregierung und ist immer noch der Hoffnung, dass es am Ende ein tragfähiges Konzept geben könnte, das den Erhalt des stadtbildprägenden Gebäudes sicherstellen könnte.
 
Entscheidung soll bis Ostern fallen

Noch gibt es offenbar Hoffnung, dass die ehemalige Landesschule doch noch einer neuen Nutzung zugeführt werden könnte. Minister Wolfram Kuschke macht sich stark für eine finanzielle Förderung durch das Land

Von Horst vom Hofe

MEINERZHAGEN · Das Schicksal des ehemaligen Internatsgymnasiums Landesschule "Zur Pforte" in Meinerzhagen hängt immer noch in der Schwebe. "Bis Ostern wird es so oder so eine Entscheidung geben", gab Bürgermeister Erhard Pierlings in der jüngsten Sitzung des Rates am Montag einen neuen Termin vor. Obwohl sich die Rahmenbedingungen für die Realisierung des angedachten Nutzungskonzeptes und damit den Erhalt des stadtbildprägenden Schulgebäudes "Auf der Freiheit" oberhalb des Stadtzentrums nicht gerade verbessert haben, hat Pierlings die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben. Verhandelt wird zurzeit auf höchster Ebene. Erst am vergangenen Mittwoch gab es eine weitere Runde in der Landeshauptstadt Düsseldorf, an der seitens der Landesregierung Minister Wolfram Kuschke als Chef der Staatskanzlei teilnahm.

Der ehemalige Arnsberger Regierungspräsident Kuschke gilt als vehementer Befürworter einer weiteren Nutzung des einstmals in kirchlicher Trägerschaft geführten Schulgebäudes. Momentan laufen hinter den Kulissen engagierte und intensive Bemühungen, deren Ziel eine erhebliche Landesförderung für das Projekt in Meinerzhagen ist. Sollte dies trotz der erheblichen Finanzprobleme des Landes sichergestellt werden können, wäre die Umsetzung eines von allen Seiten als "sinnvoll und nutzbringend" eingeschätzten neuen Nutzungskonzeptes wohl doch noch möglich.

"Hier muss jetzt Fleisch auf den Tisch. Monat für Monat warten wir auf das Ergebnis des Gutachtens. Optimisten hatten mit dem Ergebnis bereits für Ende Mai letzten Jahres gerechnet. Jetzt sind seit dem Ratsbeschluss schon 14 Monate vergangen. Die Bürger werden langsam ungeduldig, insbesondere die Eltern, die ihre Kinder zur Grundschule Wahr bringen und auf Verbesserungen der räumlichen und schulischen Situation zu Recht drängen", hatte CDU-Fraktionssprecher im Rahmen seiner Rede zur Haushaltsverabschiedung 2004 am Montag das Thema Landesschule erneut auf die Tagesordnung gebracht. Und er stellte klar: "Die Übernahme der Landesschule darf unter dem Strich zu keinen zusätzlichen Belastungen für die Stadt führen. Auch langfristig nicht. Eine kurzfristige Lösung für nur wenige Jahre käme einem Pyrrhussieg gleich."

Diese Einschätzung teilte in seiner ausführlichen Stellungnahme auch der Bürgermeister. Und vor dem Hintergrund von für die Stadt am Ende nicht zu schulternden Kosten hat es mittlerweile hinsichtlich der angedachten Neunutzung offenbar einige Abstriche gegeben. Ursprünglich war auch an die Unterbringung der Musikschule und des Jugendzentrums in der ehemaligen Landesschule gedacht. "Davon haben wir uns nicht zuletzt mit Blick auf die zu erwartenden hohen Umzugs- und Einrichtungskosten, aber auch eingedenk der zu erwartenden Folgekosten verabschiedet", teilte Pierlings mit. Es gebe mittlerweile ein modifiziertes, abgespecktes Konzept. Das sieht zum einen die Aufgabe des eigentlichen Internatstraktes vor, der abgerissen werden soll. Im verbleibenden eigentlichen Schulgebäude sollen danach jetzt nur noch die Sonderschule "Volmetal", möglicherweise die Erziehungsberatungsstelle des Kreises und eine weitere berufsfördernde Einrichtung der Kreishandwerkerschaft untergebracht werden. Bei letzterem handelt es sich nach den Angaben von Pierlings um eine überörtliche Einrichtung zur Integration von benachteiligten Jugendlichen, wie es sie schon im Nordkreis gebe und wie sie für den Südteil des Märkischen Kreises jetzt am Standort Meinerzhagen geben solle. "Die Gespräche sind viel versprechend", zeigte der Bürgermeister auf.

Pierlings verwies zudem darauf, dass die erkennbare Unterstützung auf Seiten der Arnsberger Bezirksregierung und des Landes NRW "sehr positiv zu bewerten ist". Die zuletzt eher skeptisch bewertete Aussicht, die Finanzierung sicherstellen zu können, sei in den letzten Wochen wieder deutlich gewachsen. Die Sache soll aber auch mit Blick auf den Handlungsbedarf in Sachen Grundschule Auf der Wahr nicht auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden. "Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet und bis Ostern werden wir endgültige Klarheit haben", so Pierlings. Sollte die Entscheidung negativ ausfallen, seien im Haushalt der Stadt schon die nötigen Mittel für einen Ausbau der Grundschule Wahr bereitgestellt.

Sein Vorgänger im Bürgermeisteramt, Jürgen Pietsch, lobte ausdrücklich die Bemühungen von Erhard Pierlings: "Er kämpft vehement und versucht alles in einer wichtigen Sache für die Stadt." Ehe man sich am Ende vielleicht doch damit abfinden müsse, dass dieses Schulgebäude mit seiner überragenden Bedeutung womöglich doch nicht erhalten werden könnte, solle man auch die letzte Chance nutzen, um zu einer doch noch tragfähigen Lösung zu kommen", forderte Pietsch.



KOMMENTAR

Allerletzte Chance nutzen

Von Horst vom Hofe
 

Kritische Stimmen ziehen bereits Vergleiche zwischen den langwierigen Bemühungen, in Sachen Lkw-Maut doch noch das System "Toll Collect" auf den Weg bringen zu können und dem sich gleichfalls in die Länge ziehenden Kampf um den Erhalt des Landesschulgebäudes in Meinerzhagen. Beides mutet auf den ersten Blick wie eine "unendliche Geschichte" an. Manches wäre in Sachen Landesschule leichter gewesen, wenn es nicht vor mittlerweile mehr als zehn Jahren nach der Einstellung des Internatsbetriebs in "Schulpforta" utopische Vorstellungen der Evangelischen Landesschule gegeben hätte. Bei 30 Millionen Mark lagen 1993 die Vorstellungen der Landeskirche als Kaufpreis für einen Deal mit der Stadt. Das war nicht darstellbar, führte am Ende dazu, dass das Evangelische Gymnasium erweitert und mit der Grundschule "Am Kohlberg" ein weiteres Schulgebäude neu errichtet wurde. Derweil verkam die Landesschule zur Bauruine und die Landeskirche musste erhebliche Mittel (die Rede ist von jährlich rund 250 000 Euro) für die Unterhaltung des leer stehenden Gebäudes aufwenden. Eine allerletzte Chance, die den immer wahrscheinlicher werdenden Komplettabriss eines stadtbildprägenden Gebäudes doch noch verhindern könnte, ist jetzt ein neues Nutzungskonzept mit einem vernetzten Angebot an schulischen, sozialen und arbeitsmarktfördernden Einrichtungen.

Seit mittlerweile 14 Monaten laufen hier intensive Bemühungen. Und sie wären wohl längst zum Abschluss gebracht worden, wenn sich nicht mittlerweile angesichts der immer prekärer werdenden Finanznot in den öffentlichen Haushalten die Rahmenbedingungen weiter deutlich verschlechtert hätten. Fürsprecher und Unterstützer für das Projekt in Meinerzhagen gibt es durchaus, und das buchstäblich auf höchster Ebene bei Bezirksregierung und dem Land NRW. Nachdem das mit Landesmitteln bezuschusste Gutachten der Landesentwicklungsgesellschaft nachgewiesen hat, dass der bauliche Zustand des Gebäudes von der Substanz her jedenfalls noch eine weitere Nutzung zulassen würde, führt Meinerzhagens Bürgermeister Erhard Pierlings einen engagierten Kampf. Es wäre einfacher und wohl auch nachvollziehbar gewesen, wenn er diese erheblichen Anstrengungen erst gar nicht auf sich genommen oder schon früher beendet hätte. Doch so lange er auch nur eine theoretische Chance sieht, will er nicht aufgeben. Das ist ebenso ehrenwert wie lobenswert. Denn noch gibt es die Aussicht, dass zumindest ein Teil der ehrgeizigen Vorstellungen realisiert werden könnte. Wenn die Sonderschule in die Landesschule umziehen könnte, wären gleichzeitig die Raumprobleme der Grundschule Auf der Wahr gelöst. Die würde das größere Schulgebäude der Sonderschule beziehen und hier ausreichend untergebracht. Ein Erweiterungsbau, der immerhin mit rund 920 000 Euro veranschlagt ist, wäre entbehrlich. Wenn es überdies gelingen würde, im Landesschulgebäude eine berufsfördernde Einrichtung unterzubringen, wäre das eine weitere Bereicherung des Angebotes am Standort Meinerzhagen von überregionaler Bedeutung. Dass man bei allem die Kostenfrage und hier insbesondere die der Folgekosten nicht aus den Augen verliert, zeigt die Tatsache, dass von weiteren Verlagerungen städtischer Einrichtungen (Jugendzentrum und Musikschule) mittlerweile Abstand genommen wurde. Zur Disposition steht jetzt nur noch das eigentliche Kerngebäude der Landesschule. Der Internatstrakt soll dagegen aufgegeben werden. Bis Ostern soll die endgültige Entscheidung fallen. Und egal was dabei heraus kommen mag, eines wird dann niemand sagen können: Dass nicht wirklich alles Menschenmögliche getan und unternommen worden ist. Das wäre dann wohl der gravierendste Unterschied, den es sehr wohl zum Fall "Toll Collect" gibt.


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